Familie Ralf unterwegs....
Familie Ralf unterwegs....

Romreise vom 20.-22. Dezember 2009

Text und Bilder: Dr. H-J. Ralf

Ein lang gehegter Plan ging mit der gemeinsamen Reise von Christian, Henning und mir nach Rom in Erfüllung, die meine Jungs und Birgit mir zum Geburtstag geschenkt hatten.
Wir freuten und sehr darauf, wollten alte Romerinnerungen auffrischen und neue Erlebnisse in der ewigen Stadt suchen.
Am Sonntagmorgen ging es mit dem Airbus A321 um 11.15 Uhr vom Münchner Terminal 2 los. Es ist nur ein luftiger Katzensprung über die Alpen und am Appenin-Gebirge entlang bis nach Rom-Fiumicino.
Ich hatte vorgeschlagen, in die Stadt mit dem Leonardo-Express zu fahren, um das teure Taxi zu vermeiden. Das sollte sich beim Hin-und Rückweg auch bewähren. Wir stiegen freilich nicht ein, bevor wir nicht einen herrlichen Espresso, vulgo caffe, zum sagenhaften Preis von 90Cent an der Bahnhofsbar zu uns genommen hatten.
Bei wolkenlosem Himmel und Temperaturen um den Gefrierpunkt kamen wir nach einer guten halben Stunde Fahrzeit an der Stazione Termini an, die Birgit und ich von unserem Besuch Anfang der 90er Jahre kennen.
Wir hatten nur kleines Gepäck bei uns - was Männer eben so an Minimalausrüstung zum Überleben brauchen: Alles passte in einen Rucksack und in ein kleines Flightkit. So gab es keine Probleme mit dem Fußmarsch durch quer durch Roma antica zu unserem Hotel, das am rechten Tiberufer in der Nähe der Engelsburg lag.

Fußmarsch zum Hotel
römische Gasse
römisch geparkt...

Gleich nachdem wir den großen Sackbahnhof verlassen hatten, standen wir schon an der Piazza della Republicca vor der Basilika S. Maria degli Angeli. Die den christlichen Märtyrern geweihte Kirche ist in die Mauern der ehemaligen Domitian -Thermen integriert und nutzt den früheren Kaltbadesaal, das frigidarium, als Hauptschiff. Die erhaltene Decke hat eine Höhe von 30 Metern - man steht fassungslos vor diesen Ausmaßen, wissend, dass es sich dabei nur um einen kleinen Teil der antiken, riesigen Gesamtanlage handelt, der auf diese Weise als Kirche erhalten geblieben ist.
Die Reste der Domitian Thermen...
... heute bekannt als Basilika S. Maria degli Angeli

Über die Via Barberini, Piazza barberini mit der Fontane tritone und entlang der Via Sistina gelangten wir zur Spanischen Treppe mit der an ihrem Kopf liegenden S. Trinita dei monti, die vom französischen König Ludwig XII. in Auftrag gegeben worden war und zwischen 1503 und 1587 gebaut worden ist. Bis heute wird die Messe hier in französischer Sprache gelesen.
Basilika S. Trinita dei monti
Spanische Treppe

Weiter führte uns der Weg von der Piazza di Spagna über die Via Babuino zur Piazza del Popolo.
Er ist einer der bekanntesten und beliebtesten römischen Plätze. Von hier ist es nur noch ein kurzer Fußweg über die Ponte Regina Margeritha bis zur Via Ennio Quirilio Visconti, wo das Hotel Visconti Palace steht.
Blick von der P. del Popolo in die Via Corso
Das moderne, großzügige Hotel gefiel uns auf Anhieb, und wir bezogen unsere Zimmer, die direkt nebeneinander in der 5.Etage lagen. Christian und Henning teilten sich das Doppelzimmer, und ich durfte eines allein bewohnen.
Wir hatten noch genügend Zeit, um einen ersten Rundgang zu machen, der uns von der Engelsburg über die Ponte Sant Angelo zur Piazza Navona führte, die von einem quirligen, bunten Weihnachtsmarkt okkupiert war. Schnell verließen wir das Getümmel, um am Pantheon durchatmen zu können. Denn hier war es nicht nur ruhiger, sondern der besterhaltene Bau der römischen Antike zog uns mit seiner mächtigen Kuppel und den Idealmaßen seiner Raumarchitektur in seinen Bann, wie auch schon bei unseren früheren Besuchen.
Blick über den Tiber von der Ponte Sant Angelo Richtung Petersdom
Das Pantheon
Die Außentemperatur war weiter abgesunken, und es fröstelte uns doch schon recht stark. Das hielt uns aber nicht davon ab, auf dem Rückweg zum Hotel noch die Kirche des Hl. Ignazius von Loyola zu besuchen, wo eindrucksvolle Deckengemälde in trompe l’oeil -Technik Pilaster, Kapitelle und eine große Kuppel im Chor täuschend echt darstellen.
Den Trevi-Brunnen durften wir natürlich auch nicht auslassen, hatten wir doch alle beim letzten Besuch die obligatorische Münze in den Brunnen geworfen, die sicherstellen soll, dass man in die Heilige Stadt zurückkehrt. Es war gedrängt voll an diesem beliebten Treffpunkt für Besucher aus aller Welt. Und wir folgten selbstverständlich auch dieses Mal dem vorgegebenen Ritus.
Trevi Brunnen
der obligatorische Münzwurf mit normalen Münzen...
...und anscheinend einer "special edition"...

An der Piazza Colonna mit der Säule des Marc Aurel vorbei ging es über die Via Corso bis zum Mausoleum des Augustus. Zwischen Piazza Colonna und Piazza del Popolo ist die Via Corso zur Fußgängerzone umgestaltet worden. An diesem verkaufsoffenen 4.Advent drängten sich so die Massen über das Pflaster.
Säule der Marc Aurel

Das gefiel uns nun gar nicht, und wir machten uns schnell über eine Seitenstraße davon., um zum Museo Ara pacis Augustae zu kommen, wo der Altar des Augustus in einem erst im Jahr 2000 eröffneten, sehr schön schlicht gestalteten Bau würdig ausgestellt worden ist. Vor dem Museum patroullierte eine Jazz-Kapelle, deren musici mit ihren Nikolausmützen einen deutlichen Kontrast zum fetzigen New-Orleans-Jazz bildeten, mit dem sie das Straßenpublikum unterhielten.
Jazzkapelle

Über die Ponte Cavour erreichten wir recht fußmüde unser Hotel, wo wir uns einen Moment ausruhten, bevor wir uns auf die Suche nach einem Restaurant machten, wo wir unseren Hunger stillen wollten. Denn außer einer „Pizza auf die Hand“an der Piazza Navona hatten wir noch nichts seit dem Sandwich im Flieger gegessen.
fußmüde...

Da es kalt und ungemütlich war, bogen wir nur kurz um die nächste Ecke in die Via Lucrezio Caro, wo bunte Lampions von einem chinesischen Restaurant kündeten, das wir nach kurzer Beratung betraten. Drinnen war es eiskalt. In Rom ist man auf Minustemperaturen nicht so richtig eingestellt, und man beeilte sich, einen fahrbaren Heizstrahler so in unsere Nähe zu rücken, dass die Illusion von Wärme uns davon abhielt, sofort wieder zu gehen.
Landestypisch konnte man die Mahlzeit mit Frühlingsrollen und Chop suey nicht gerade nennen, und wir beratschlagten daher, unseren Frauen zu berichten, dass wir „Spätzle mit Soße“ gegessen hätten. Denn jüngst hatte sich Henning noch mit dieser Notlüge aus der Affäre gezogen, als er seiner Mutter am Telefon nicht zu beichten wagte, dass er in Tübingen mit Ellen und Christian Schnitzel mit Pommes frites gegessen hatte, so dass er lieber die altschwäbische Kostform vorflunkerte.

Immerhin wurden wir zu gemäßigten Preisen satt und fielen auch bald in unsere Betten, nachdem wir noch gemeinsam die Begrüßungsflasche Prosecco geleert hatten, die ich bei unserer Ankunft in meinem Zimmer im Sektkühler stehend vorgefunden hatte. Zu den beiden beigestellten Sektgläsern war bald ein weiteres Trinkgefäß aus der Minibar hinzu gefunden, so dass wir auf unsere Reise und viele schöne Eindrücke anstoßen konnten. Nach dem ersten Schluck stellte Henning trocken fest: „ Tut gut, mal was Warmes zu trinken!“
Christian und ich brachen in schallendes Gelächter aus - aber so ganz Unrecht hatte unser Jüngster nicht: Die eiskalten Getränke in der unterkühlten chinesischen Garküche kontrastierten doch noch deutlich zu dem seit Stunden im längst angewärmten Kühlerwasser stehenden Prosecco.

2.Tag

Ich war früh auf - meine Söhne unkten etwas von seniler Bettflucht - und wir saßen um 8.15 Uhr am Frühstückstisch. Das Buffet des Hotels war für südeuropäische Verhältnisse erstaunlich reichhaltig, wobei mir die Kaffee- und Croissantqualität wieder einmal am besten gefiel. Wir hatten uns ein großes Programm für diesen Montag vorgenommen und starteten auch unverzüglich.
Heute wollten wir die vorher ausgesuchten klassischen Stätten des alten Rom besuchen.

Über Piazza Navona und die Piazza de Campo di fiori mit dem Standbild des Dominikanermönchs und Gelehrten Giordano Bruno, der hier am 17.Februar 1600 als Ketzer verbrannt worden ist, ging es zur Area sacra am Teatro Argentino. Hier soll an den Iden des März des Jahres 44 Caius Iulius Caesar erstochen worden sein. Er hatte die gesamte Curia und die höheren Stände Roms mit seinem absolutistischen Regierungsstil gegen sich aufgebracht, so dass man zum bewährten Instrument des politischen Mordes griff, um die gewohnten Machtverhältnisse wiederherzustellen.
Berninis "Vier Flüße Brunnen"
Piazza de Campo di Fiori

Unser Ziel waren aber nun Capitol und Forum Romanum. Christian hatte sich besonders auf das Wiedersehen mit einer gut erhaltenen Insula gefreut, ein typisches Wohnhaus aus klassischer Zeit, das in seinem unteren Geschoss Läden und in den darüber liegenden, bis zu sieben Stockwerken Wohnungen enthielt. Heute liegen die Läden nach Ausgrabungen tief unter Straßenniveau.
Oberirdische Teil der Insula eines Wohn- und Geschäftshaus aus der Zeit Christi

Nebenan führt eine steile Treppe hinauf zur S. Maria in Aracoeli, einer von Fanziskanern im 13. Jahrhundert erbauten und im Volk sehr beliebten Kirche in unmittelbarer Nähe der Piazza del Campidoglio, dem Kapitolsplatz. Der Sage nach soll nur derjenige eine glück- und dauerhafte Ehe führen, welcher die Treppe zur Kirche ohne zu stolpern hinauf und herab läuft. Wir drei bestanden diesen Test glänzend.
bedeutungsvoller Aufstieg
Blick von der Scala Aracoeli Richtung Teatro Marcello
Geschafft!

Den sanften Anstieg zum Kapitol auf einer langgestreckten Rampe säumen am oberen Ende die Statuen von Castor und Pollux. Auf dem von Michelangelo entworfenen Platz steht in der Mitte das Reiterstandbild Marc Aurels, heute die Kopie einer der wenigen komplett erhaltenen antiken Bronzen. Das Original befindet sich in den Kapitolinischen Museum, die an den Längsseiten des in volkommenener Symmetrie gebauten Platzes liegen.
Aufstieg zum Kapitol
Marc Aurel

Vorbei an der Bronzeplastik der Kapitolinischen Wölfin, die Romulus und Remus säugend dargestellt ist, gehen wir seitlich am Senatorenpalast vorbei und erhalten den freien Blick vom Kapitolshügel auf die Fori Imperiali mit Trajansmärkten, der Trajanssäule und dem Augustusforum.
Römische Wölfin mit Romulus und Remus
Fori Imperiali
Gaius Julius Caesar

Wir gingen entlang der Via Fori Imperiali bis zu einem der Haupteingänge des Forum Romanum, wo wir 14 € Eintritt zahlten, der allerdings auch für den Paladin und das Kolosseum gilt.
Das Forum war gut besucht, aber es blieb genügend Platz und Muße, um das klassische Areal wieder einmal in Ruhe abzugehen.
Antoninus und Faustina-Tempel
Tempel der Vestalinnen
Castor und Pollux Tempel
Saturn Tempel
Septimus Severus Bogen
Die, rekonstruierte, Curia julia, der Ort, an dem der römische Senat tagte
Statue des Domitian, zu finden in der Curia julia
Vieles erkannten wir von früheren Besuchen wieder, schauten in das Atrium des Hauses der Vestalinnen und besuchten die Curia julia. Der schon 1932-37 unter Mussolini wiederaufgebaute, kubische und schlicht gehaltene Bau wurde zuletzt unter Kaiser Diokletian rekonstruiert. Hier versammelte sich in klassischer Zeit der römische Senat, und es fielen an dieser Stätte eine Reihe weltpolitischer Entscheidungen. „Ceterum censeo, Carthaginem delendam esse“.Cato in der curia vor Beginn des Dritten punischen Krieges.
Interessant ist zu erwähnen, dass die bronzenen Eingangstore des Gebäudes heute das Portal der Papstkirche S.Giovanni in Laterano zieren.
Auch hier bleibt festzustellen, dass die christlichen Nachfolger der Herrscher, seien sie weltlicher oder geistlicher Art, manchmal nicht gerade sensibel mit dem römischen Erbe umgegangen sind.
Cf. Pantheon
Schließlich wandten wir uns der Maxentius-Basilika zu, die auf uns mit ihrem mächtigen Mauern, die nur von einem Seitenschiff erhalten sind, den tiefsten Eindruck machte. Man erhält dabei eine Vorstellung von den gewaltigen Ausmaßen klassischer Archiktur zur Blütezeit des Römischen Reiches.
Rechtes Seitenschiff der Maxentius Basilica
Von der Maxentius-Basilika sind es nur ein paar Schritte bis zum Titusbogen. Er war eines unserer bevorzugten Ziele gewesen, weil er in dem Roman „Die Entdeckung des Himmels“ eine Rolle spielt, und wir unbedingt die Reliefs sehen wollten, die den Triumphzug des Feldherrn Titus nach der Niederschlagung des Aufstandes in Judäa im Jahre 70 mit Plünderung und Zerstörung des Tempels in Jerusalem zeigen. Auf der rechten Innenseite des Bogens sieht man, wie die Legionäre reiche Beute tragen: Den siebenarmigen Leuchter, die jüdische Menora, die Festtrompeten und eine unbekannte Last, die auf Tragstangen liegend, von mehreren Soldaten getragen wird. Man kann nur noch spekulieren, worum es sich dabei handelt. Vielleicht ist es doch die Bundeslade mit den Gesetzestafeln Mose’, die seit der Zerstörung des Tempels verschwunden ist.
Der Romanautor jedenfalls hat sich vorgestellt, dass die Bundeslade damals nach Rom gelangt ist, und die Tafeln ihren versteckten Platz unter dem Altar der Sancta sanctorum, der kleinen Kapelle der Päpste gegenüber der Papstkirche S.Giovanni in Laterano, gefunden hätten.
Titusbogen...
... und besagtes Relief

Vom Titusbogen gingen wir hinauf zum Paladin, wo seit unserem letzten Aufenthalt umfangreiche Ausgrabungen neue interessante Funde zu Tage gefördert haben. Unter anderem fanden sich im Haus des Augustus gut erhaltene Räumlichkeiten, teils noch mit schönen Fresken bedeckt, die wir anschauen konnten. Weiter vermutet man, endlich die gründungsmythologisch verklärte Grotte gefunden zu haben, in der die kapitolinische Wölfin Romulus und Remus gesäugt haben soll. Dieser Ort war immer ein besonderer der Verehrung und ist reich mit Fresken bemalt gefunden worden, die derzeit restauriert werden, so dass die Öffentlichkeit momentan keinen Zutritt hat.
Neben der Domus augustae liegen die sehenswerten Farnesischen Gärten, die allerdings erst im Sommer ihren ganzen Reiz bieten. Wir machten noch einen kurzen Abstecher in das Museo paladino, wo Ausgrabungsfunde aus fühester Zeit und viele Plastiken zu sehen sind.

Vorbei am Stadion des Domitian stiegen wir hinunter zur Via Appia, die direkt auf den Konstantinsbogen zuführt. Wir wollten jetzt das Kolosseum anschauen und hatten Glück, mit unseren Eintrittskarten ohne weiteres Anstehen auf einer Sonderspur direkt hineingehen zu können. Die Dimensionen dieses antiken Amphitheaters, das zwischen 72 und 80 unter Kaiser Vespasian anstelle der dort zuvor befindlichen Domus aurea des Nero errichtet wurde, sind atemberaubend. 80 Eingänge kanalisierten den Zustrom der 60000 Besucher, die hier bis ins 7. Jahrhundert hinein mit blutigen Tier- und Gladiatorenkämpfen unterhalten wurden. Allein am Eröffnungstage sollen 4000 wilde Tiere hier zu Tode gebracht worden sein. Das blutige Spektakel wurde von den Caesaren politisch gezielt zur Aufrechterhaltung von Stimmung und Herrschafts-Akzeptanz des Volkes eingesetzt.
Seit 1998 dient das Kolosseum auch als Mahnmal gegen die Todesstrafe; die in seinem Oval aufgestellte Mahnglocke läutet nach jeder bekannt werdenden Hinrichtung. Christenverfolgungen haben aber hier entgegen früherer Historikermeinung wohl nicht stattgefunden.

Wir wandten uns nach einem abschließenden Blick vom oberen Rang auf das Forum romanum den Resten der Domus aurea des Nero zu, konnten aber nichts besichtigen, da hier zur Zeit umfangreiche Ausgrabungs- und Restaurierungsarbeiten stattfinden. Man erhält jedoch schon anhand der gewaltigen Reste, die noch zu sehen sind, einen Eindruck von der kolossalen Größe, die dieser Palastkomplex einmal gehabt haben muss. Offenbar war dieser Art überdimensionierten Bauwahns auch schon ein Zeichen des Niedergangs, vertrug sich doch Maßlosigkeit und leeres Imponiergehabe nicht mit den traditionellen Tugenden des alten Rom, die ihm neben anderem zu seiner damals weltbeherrschenden Größe verholfen hatten. Jedenfalls konnte auch Neros Lehrer Seneca seinen exaltierten Schüler und späteren Kaiser nicht mehr vernunftgemäß beeinflussen und musste gar am Ende auf dessen Befehl Suizid begehen, da man ihn der Verschwörung gegen den labil-aggressiven Herrscher bezichtigte.

Unser ganz in der Nähe liegendes nächstes Ziel war eigentlich S. Pietro in vinculi, in dem Michelangelos „Gehörnter Moses“ und das Grabmal des Auftraggebers dieser außergewöhnlichen Marmorplastik, Papst Julius II., zu finden sind. Aber leider war es Mittagszeit, siesta italiana, so dass die Kirche für uns verschlossen blieb. Es bleibt noch kurz zu erklären, wie Moses zu dem Beinamen der „Gehörnte“ gekommen ist. Dabei liegt ein Übersetzungsfehler vom Hebräischen ins Griechische / Lateinische vor, denn Moses wurde nach seinen Begegnungen mit Gott als der „Strahlende“, mit einer Aura Versehene geschildert, was auf lateinisch coronatus heißt. Ein unbekannter Übersetzer hat daraus cornatus = gehörnt gemacht. So wurde Moses von Michelangelo mit aus der Stirn ragenden Hörnern dargestellt, was ihm ein respektvolles, ja martialisches Aussehen verleiht, aber nicht den Bibeltexten entspricht.

Aber was bedeutet es schon in Rom, wenn man eine Kirche verpasst? Bei den vielen hundert Kirchen, die Rom besitzt, gibt es gleich um die nächste Ecke eine weitere, die den Betrachter fasziniert. Darum waren wir auch nicht enttäuscht, sondern steuerten das nächste Highlight an: San Giovanni in Laterano.
Auf dem Wege dahin meldeten sich unsere hungrigen Mägen recht dringlich, so dass wir noch eine kleine Pause in einer der vielen Straßenpizzerien einlegten, wo es leckere, frisch aufgebackene Pizzastücke vom Blech und einen Caffe, sprich neudeutsch: Espresso, für ganz wenig Geld- so zwischen 70 und 90 Cent- gibt.

Gut gestärkt trafen wir an der Lateransbasilika ein. Der Lateran war bis zum Papstexil in Avignon von 1309-1377 Sitz der Päpste seit Konstantinischer Zeit gewesen. Kaiser Konstantin errichtete hier eine Monumentalbasilika und das älteste Baptisterium der Christenheit, das trotz vieler Umbauten noch immer erhalten ist. Die Erzbasilika S. Giovanni in Laterano ist auch heute noch der offizielle Bischofssitz des Papstes, der ja in Personalunion auch Bischof von Rom ist.
Die mächtige fünfschiffige Säulenbasilika überwältigt den Betrachter, so dass für uns die gleiche Schwierigkeit wie im Petrusdom entsteht. Die schiere Größe und überbordende Pracht von Architektur und Ausstattung erschweren die Kontemplation und lenken ab.
Wir schauten uns die Confessio mit dem Grab Papst MartinV. vor dem Hauptaltar an und bemerkten zu unserem Befremden, dass die Scheinwerferbeleuchtung des Chors und der Apsis, die mit schönen Mosaiken von Jacopo Torriti ausgestaltet sind, nur dann für wenige Sekunden aufleuchtete, wenn man einen Obulus in einen Automaten eingeworfen hatte.
S. Giovanni in Laterano

Wir verließen die Basilika und wandten uns der auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber liegenden Papstkapelle Sancta sanctorum zu. In ihr sollen viele Reliquien aus frühester Christenzeit, so von Christus, Maria, Johannes dem Täufer und Johannes dem Evangelisten aufbewahrt sein. Auch ein lebensgroßes Portrait Christi, das bereits im 5.Jahrhundert (nicht von Menschenhand, wie es heißt) entstanden sein soll, wird hier im Altarraum verwahrt, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. So konnten wir auch nicht prüfen, wie es denn mit dem geheimnisvollen Inhalt des Altarsockels bestellt ist, von dem im Roman „Die Entdeckung des Himmels“ behauptet wird, das er die Gesetzestafeln Mose’ birgt, die Titus als Beute aus Jerusalem entführt hatte…cf. Titusbogen.
Jedenfalls lässt die in goldenen Lettern über dem Altarraum angebracht Schrift: NON EST IN TOTO SANCTIOR

ORBE LOCUS keinen Zweifel daran, dass es sich um den heiligsten Ort der Christenheit handelt. Zu dieser Bedeutung mag auch beitragen, dass sich hier die Scala Sancta befindet, jene Treppe über die Jesus nach seiner Verurteilung im Palast des Pontius Pilatus hinabstieg. Konstantins Mutter hat die Marmortreppe aus Jerusalem nach Rom überführen lassen, so will es jedenfalls die Legende, wo sie als heilig verehrt wird und 1723 mit einer Holzverkleidung aus Nussbaumholz versehen wurde, so dass kein Pilgerfuß sie entweiht. Die Gläubigen, die hier den Aufstieg zum Altarraum suchen, dürfen nur auf den Knien von Stufe zu Stufe hoch rutschen, wobei auf jeder einzelnen Stufe ein Gebet zu verrichten ist, damit man, endlich am oberen Ende der Scala angelangt, einen halben Sündenablass erlangt. Nur an besonderen Kirchenfeiertagen wird der volle Generalablaß gewährt.

Als wir die Kapelle verlassen hatten, belehrte uns der Blick auf die Uhr, dass der noch vorgesehene Besuch der Katakomben an der Via Appia antica zeitlich nicht mehr passen würde. Ganz böse darüber waren wir allerdings nicht, denn es stellten sich erste Ermüdungserscheinungen und Konzentrationsschwächen angesichts des heutigen Mammutprogramms ein. Außerdem setzte ein leichter Nieselregen ein.
So beschränkten wir uns darauf, auf dem langen Rückmarsch durch Roma antica die immer noch eindrucksvollen Ruinen der Caracalla-Thermen zu berühren, die mit ihren unglaublichen Ausmaßen von gut einem Hektar Größe allein an Baukörper und täglich bis zu 8000 Besuchern die größte Roms gewesen ist und für die damalige Zeit unwahrscheinlichen Komfort und SPA-Möglichkeiten geboten haben muss. Während die Germanen in unheizbaren Hütten mit halbgarem Fleisch vom Spieß vorlieb nehmen mussten, genossen die Römer als Weltherrscher Fünftsterne-Komfort bei Freizeit-und Badevergnügen. Kalt- und Warmwasserbecken, Fußbodenheizungen und Aufenthaltsräume mit luxuriöser Ausmalung und Mosaiken müssen den Römern neben Speisen, Tanz- und Musikunterhaltung geradezu himmlische Freuden bereitet haben.

Schade, hier wären wir gerne noch etwas länger geblieben. Aber es drängte uns nun doch zurück zum Hotel; und zu Abend essen wollten wir auch möglichst bald, denn es gab mehr als den kleinen Hunger zwischendurch. Wir liefen noch durch den Circus maximus mit seiner 240 m Bahn, gedachten kurz Juda Ben Hurs alias Charlton Hestons, der hier, zumindest im Film, das berühmte Wagenrennen abgeliefert hat und schlichen am Teatro Marcello vobei und über die Piazza Navona zurück zum Visconti Palace - Hotel. Ja, das reichte für einen Tag, und nur die eiserne Kondition unserer Männerriege hatte diesen 9 Stunden-Marathon mit geschätzten 20km Fußwegstrecke ermöglicht. Darauf waren wir denn auch ein kleines Bisschen stolz.

Bleibt nur noch der gemäßigt kulinarische Abschluß des erignisreichen Tages zu berichten:
Da es inzwischen wie aus Kübeln goß, blieb nicht viel Spielraum für Erkundungsgänge, so dass wir uns wieder gleich um die Ecke bei unserem Hotel in die Pizzeria/Osteria/Ristaurante CUPOLE setzten, die Begriffe gehen inzwischen in Italien etwas durcheinander, und das Übliche bestellten: Antipasti, Pasta als primo piatto und als dolce eine Crème brulée. Dazu gab es den unvermeidlichen Hauswein vino di casa, schmackhaft, aber nicht aus einer Kelter.
Über Schlaflosigkeit konnte in dieser Nacht keiner der drei Buben klagen.

3.Tag

Der letzte Tag unserer Kurzreise war angebrochen und rechtzeitig saßen wir am Frühstückstisch, um schon kurz nach 8.00 Uhr aufzubrechen, denn wir hatten noch allerhand vor bis zum Start unseres Fliegers nach München um 17.15 Uhr.
Wir hatten uns nämlich noch die Vatikanischen Museen vorgenommen und wussten, dass sie um 09.00 Uhr in der Woche öffnen.
Als wir um die Leoninische Mauer herum auf den Haupteingang einbogen, waren wir überrascht wie kurz die Schlange vor dem Haupttor war. Dann aber bemerkten wir einen Din A4- großen und der Regennässe ungeschützt ausgesetzten Zettel, der mit zwei Büroklammern an der seitlich angebrachten Absperrleine befestigt war: Heute Öffnung um 10.00 Uhr!
Die Länge der Schlange hielt sich sehr in Grenzen,...
... wahrscheinlich aber auch deswegen!

Aha, italienische Organisation, schoss es durch unsere preußisch geprägten Köpfe. Alternativ bedachten wir, dass vielleicht unser Bundes-Guido gerade die Schätze der Päpste bestaunte, denn der Steuerrebell und Guidomobilfahrer weilte gerade zu einem Staatsbesuch in bella Italia. Wir, also das gemeine Volk, standen halt solange im stärker werdenden Regen. Aber, vielleicht war auch alles ganz anders...
Jedenfalls waren wir nach einer sehr guten Stunde Wartezeit unter den ersten, die durch die Sicherheitsschleuse und die Billettschalter hindurch in die riesigen, langgestreckten Gänge des Museo vaticano eintreten durften. Es blieb nicht viel Zeit, die ungezählten Kostbarkeiten an Bildern, Gobelins, Plastiken und Deckengemälden allzu genau anzuschauen, denn wir hatten nur ein ganz konkretes Ziel in dieser großen Schatzkammer des christlichen Abendlandes: Die Sixtinische Kapelle- liebevoll von ihren Verehrern sistina genannt.
Tatsächlich standen wir nach dem Passieren endlos scheinender Gänge plötzlich in der Papstkapelle Sixtus VI. Sie ist ausgemalt vom genialen Michelangelo, der nicht nur die Altarwand mit Szenen des Jüngsten Gerichts, sondern auch die Decke mit der Schöpfungsgeschichte in all’ fresco -Technik während eines zwölfjährigen Gewaltakts an Ausdauer und Disziplin bemalt hat.
Man muss sich dabei immer wieder klar machen, dass der Maler dabei in frisch aufgetragenen Mörtel nur jeweils halbe Tage Zeit hatte, die Farbe aufzutragen, bevor dieser abband und damit auch jede weitere Korrekturmöglichkeit zunichte machte.
Der über 70 Jährige hat hier jahrelang auf hohen Gerüsten liegend diese überdimensionalen Kunstwerke geschaffen, vor denen man nun nach langer, mühsamer Restaurierung fassungslos ob der Plastizität und des Farbzaubers ihrer Figuren und Landschaften steht.
Da wir durch den günstigen Umstand so früh hier eingetreten waren, hatten wir das große Glück, die Schönheiten des Raumes nur mit wenigen anderen Besuchern teilen zu müssen. Beeindruckt verließen wir nach einiger Zeit die Sixtinische Kapelle, die sich nun mehr und mehr mit Menschen füllte.
Die Stanzen (Kammern) des Raffael ließen wir uns nicht entgehen, und stellten auch hier fest, zu welcher Meisterschaft dieser Maler der Hochrenaissance gelangt war, als er im Auftrag des Papstes die Privatgemächer mit Motiven aus der klassischen Allegorik bemalte.
Wir beließen es bei diesen Höhepunkten der Betrachtung. Die Vatikanischen Museen sind derart umfangreich, dass nur konsequente Themenauswahl vor Übersättigung und mentaler Erschöpfung schützt.
Über die berühmte Wendeltreppe verließen wir nach zwei Stunden das Museum und gingen hinüber zum Petersplatz.
Leider hatte der Regen inzwischen weiter zugenommen, so dass wir eine regelrechte Dusche erhielten, als wir von den Toren von St.Peter in der Schlange vor den auch hier professionell durchgeführten Sicherheitskontrollen standen. Das gibt schon zu denken, wenn man zwar in Europa ohne Pass und Visum herumreisen kann, jedoch vor dem Eintritt in das große Gotteshaus wie vor einem Flug gecheckt wird.
Der übermäßig mächtige Innenraum des Petersdoms ist nicht jedermanns Sache, ich erwähnte das bereits. Eindrucksvoll ist er aber in jedem Fall. Als wir uns umschauten sahen wir, dass auch hier die Schlange vor dem Eintritt zum Kuppelaufgang verhältnismäßig kurz war. So beschlossen wir kurzerhand, den Aufstieg ohne Lift zu wagen.
Um es vorweg zu nehmen: Es sind 1002 Stufen bis zur Aussichtsgallerie unterhalb der Laterne, die wir ohne großes Schnaufen bewältigten. Auch zeigte Christian großen Mut, seine Akrophobie zu unterdrücken, die zum Beispiel beim Betreten des inneren Kuppelumganges auf halber Strecke hinauf auch weniger empfindliche Gemüter beschleichen kann.
Der Ausblick lohnt am Ende aber jede Anstrengung, wenn wir auch bei dem trüben, regnerischen und gar nicht so römischen Wetter nicht die volle Pracht der zu Füßen liegenden Stadt erleben durften. Trotzdem waren wir es zufrieden und stiegen wieder ab mit dem Gefühl, einmal hier oben gewesen sein zu müssen.
Damit war das vorgenommene Programm unserer gemeinsamen Romentdeckung beendet, und wir mussten nun noch die Stazione Termini erreichen, von wo uns der Leonardo-Express wieder nach Fiumicino zurückbringen sollte. Die Via de la Reconziliazone hinunter verließen wir den Vatikanstaat, holten das in unserem Hotel noch abgestellte Gepäck und traten tapfer durch den andauernden Regen den Weg zum Bahnhof an. Diesen erreichten wir drei völlig durchnässt, aber glücklich und zufrieden mit unseren Erlebnissen und hatten im trockenen und warmen Flughafengebäude noch Gelegenheit, ein wenig anzutrocknen, bevor uns unser LH-Flieger A320 wieder pünktlich nach München zurückbrachte.

Eine unvergessliche Reise ging damit zu Ende, an die ich als stolzer Vater immer zurückdenken werde, und auch die Jungs werden wohl noch lange davon zehren. Wir werden das wiederholen- beim nächsten Mal dann mit unseren lieben Frauen und den Kindern, die uns am Abend wieder liebevoll in die Arme nahmen.

H.R.